Der Krieg in Gaza eskaliert weiter, während israelische Streitkräfte ihre Operationen im gesamten Gebiet intensivieren. Angesichts verstärkter Luftangriffe und weiterer Evakuierungen von Stadtteilen verschärft sich die humanitäre Krise in Gaza täglich. Laut dem Gesundheitsministerium in Gaza hat die Zahl der Todesopfer seit Kriegsbeginn mittlerweile 50.000 überschritten – das entspricht einem Todesfall pro 46 Einwohner!
Waffenruhe bricht zusammen und die Offensive wird fortgesetzt
Nachdem ein fragiler Waffenstillstand Mitte Januar scheiterte, nahmen die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) ihre Operationen letzte Woche wieder auf. Am Sonntag rückten israelische Truppen weiter in nördliche und südliche Gebiete des Gazastreifens vor. Neue Evakuierungsbefehle wurden erlassen, selbst für Bewohner, die erst kürzlich in ihre Häuser zurückgekehrt waren.
Das Scheitern der Gespräche ließ kaum Raum für Diplomatie. Sobald die Verhandlungen ins Stocken gerieten, gewannen die israelischen Luft- und Bodenoffensiven wieder an Schwung.
Steigende Opferzahlen und intensivierte Angriffe
Allein in den letzten 24 Stunden wurden bei israelischen Bombardements laut Berichten 39 Menschen getötet. Das Gesundheitsministerium in Gaza gibt an, dass seit Kriegsausbruch über 50.000 Menschen ums Leben kamen. Die Zahlen unterscheiden jedoch nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.
Die IDF meldete die Ausweitung ihrer Operationen in der nördlichen Stadt Beit Hanoun, um eine sogenannte Pufferzone zu erweitern. Zudem führte sie weitere Luftangriffe auf Hamas-Einrichtungen durch und behauptete, sichere Evakuierungsrouten für Zivilisten zu ermöglichen.
Evakuierungen in Rafah unter Beschuss
In der südlichen Stadt Rafah ordnete das Militär die Evakuierung des Viertels Tal al-Sultan entlang einer festgelegten Route zu Fuß an. Fahrzeuge waren nicht erlaubt. Lokale Behörden berichteten, Tausende Familien flöhen unter Beschuss – viele während des heiligen Monats Ramadan – ohne sicheren Zufluchtsort.
Die Gemeinde erklärte, die Menschen hätten weder Grundversorgung noch Unterkünfte, da die Grenzübergänge nach Gaza von der israelischen Regierung weiterhin blockiert seien.
„Ich höre ständig Schüsse und Explosionen“, sagte die 22-jährige Riham Abu Marzouq während eines Telefonats, als sie mit neun Familienmitgliedern aus Rafah floh. „Wir laufen jetzt“, fügte sie keuchend hinzu.

Hoher Hamas-Funktionär getötet
Über Nacht bestätigte die Hamas, dass Salah al-Bardawil, Mitglied ihres Politbüros und einer ihrer bekanntesten Sprecher, bei einem israelischen Angriff getötet wurde. Seine Ehefrau starb ebenfalls bei dem Angriff auf ihr Zelt in Al-Mawasi – einer von Israel als humanitäre Zone deklarierten Gegend. Ironischerweise genau das Gebiet, in das die Bewohner von Tal al-Sultan umsiedeln sollten.
Später erklärte die IDF, ihre Truppen hätten Tal al-Sultan eingekesselt, mehrere Kämpfer eliminiert und ein als Hamas-Kommandozentrum bezeichnetes Gebäude gestürmt. Diese Angaben ließen sich unabhängig nicht überprüfen.
Angst und Unsicherheit in Rafah
Der Palästinensische Zivilschutz warnte dringend, über 50.000 Menschen in Rafah seien in unmittelbarer Gefahr. Ein Anwohner namens Huthayfah Lafi in der Nähe von Tal al-Sultan sagte, er habe sich am Sonntag gegen eine Evakuierung entschieden, weil „wir nirgendwo anders hin können“.
Der Palästinensische Rote Halbmond meldete den Kontaktverlust zu vier in Rafah eingeschlossenen Krankenwagen. Rettungskräfte seien durch israelische Beschüsse verletzt worden. Das israelische Militär erklärte, man überprüfe die Berichte, äußerte sich aber nicht weiter.
Familien fliehen erneut mit fast nichts
Mohammed Abu Taha (42) berichtete, seine Schwester Sanaa sei erst kürzlich nach Rafah zurückgekehrt. Am Sonntagmorgen näherten sich ohne Vorwarnung Panzer. Sie rief ihn während ihrer Flucht zu Fuß nach Chan Yunis an, wo er selbst bereits Schutz suchte.
„Sie durften nur eine kleine Tasche mitnehmen“, schilderte er.
Krankenhausangriff löst Empörung aus
Am späten Sonntag gab Israel an, einen „Schlüsselterroristen“ im Nasser-Krankenhauskomplex im Süden Gazas angegriffen zu haben. Obwohl das Militär den Namen nicht nannte, behauptete es, präzise Munition verwendet zu haben, um zivile Opfer zu vermeiden.
Doch Gazas Gesundheitsbehörden schilderten ein völlig anderes Bild. Demnach wurde die voll belegte chirurgische Abteilung direkt getroffen. Ein Großbrand brach aus. Zwei Menschen starben, darunter ein 16-Jähriger unter den Trümmern. Auch medizinisches Personal und Patienten wurden verletzt. Der Angriff zwang zur Teilräumung des Krankenhauses und ließ die Abteilung weitgehend in Trümmern zurück.
Die Hamas bestätigte, dass Ismail Barhoum, ein weiteres Politbüromitglied, während der Behandlung im Medizinzentrum getötet wurde. Die Gruppe verurteilte die Bombardierung „auf das Schärfste“.

Israels Strategie: Druck und Isolation
Die israelische Regierung erklärt, ihre erneute Offensive und die Blockade humanitärer Hilfe dienten beide dem Ziel, Druck auf die Hamas auszuüben. Letztendliches Ziel sei die Freilassung israelischer Geiseln in Gaza und die Zerschlagung der Regierungs- und Kriegsfähigkeit der Hamas.
Diese Geiseln waren während des Hamas-geführten Angriffs auf Südisrael am 7. Oktober 2023 genommen worden – ein Ereignis, das den aktuellen Krieg auslöste. Bislang weigert sich die Hamas, größere Geiselgruppen freizulassen, es sei denn, Israel beende den Krieg dauerhaft. Doch Israel besteht darauf, dass der Konflikt erst enden kann, wenn die Hamas ihre Waffen abgibt und die Macht aufgibt.
Wachsende israelische Zweifel am Krieg
Während es unmittelbar nach den Angriffen vom Oktober 2023 breite Unterstützung für Militäraktionen gab, hat die erneute Offensive die öffentliche Meinung in Israel gespalten. Viele Bürger machen sich inzwischen große Sorgen um das Schicksal der etwa 24 vermutlich noch lebenden Geiseln.
Die Frustration wächst. Israelis stellen zunehmend infrage, ob dieser verlängerte Krieg Ergebnisse liefern kann, die die ersten 15 Kampfmonate nicht erreichten. Die einstige Einheitsfront bröckelt – ersetzt durch wachsende Zweifel, Trauer und Dringlichkeit nach Antworten.